Die Seidenweberei Luigi Bevilacqua erzeugt auf historischen Webstühlen feinsten Samt in Techniken, die bis in die Renaissance zurückreichen. Ein Besuch in der Tessitura ist ein Erlebnis zwischen Klang, Kunst und Geschichte – und eine Hommage an die Würde der Handarbeit.

Ein Palazzo voller Geschichte
Unweit der Bahnhofsstation Santa Lucia, an der Riva di Biasio, liegt ein Palazzo aus dem 14. Jahrhundert. Von außen wirkt er schlicht, doch im Inneren offenbart sich ein kultureller Schatz von Weltrang: die Tessitura Luigi Bevilacqua, eine Seidenweberei, deren Ursprünge bis ins Jahr 1499 zurückreichen. Damals wurde in Venedig erstmals ein Weber namens Giacomo Bevilacqua urkundlich erwähnt. Der heutige Betrieb wurde 1875 gegründet – und hält seither ein traditionsreiches Handwerk lebendig, dessen Erzeugnisse in Museen, Palästen und Präsidentenresidenzen bewundert werden können.

„Das Wissen der Renaissance lebt in jedem Kettfaden weiter“, sagt Rodolfo Bevilacqua, heutiger Inhaber der Firma. In der Eingangshalle hängt ein Bild des Stadtpatrons San Marco – daneben erzählt eine Chronik in Zahlen und Bildern von der Jahrhunderte alten Familientradition. Bevilacqua steht dabei nicht nur für Tradition, sondern für eine gelebte Ästhetik, die in Venedig einzigartig ist.

20 Webstühle, ein Klang: Die Sinfonie des Handwerks
In der riesigen Werkstatt steht man plötzlich in einer anderen Zeit: 20 historische Webstühle aus Holz, über 100 Jahre alt, stehen in einem Raum mit alten Ziegelmauern, dicht an dicht. Sie erinnern an Musikinstrumente – und sie klingen auch so. Das rhythmische Rattern, Klacken und Stampfen erzeugt eine archaische Klanglandschaft: eine raue, fast sakrale Sinfonie, die das Geheimnis des Samts hörbar macht.

Die Weberinnen arbeiten im Stehen – mit Füßen, Händen und einem komplexen System aus Lochkarten, das auf Joseph-Marie Jacquard zurückgeht und als Vorläufer des Computers gilt. Tausende dieser Karten – jede einzelne gestanzt für ein bestimmtes Muster – lagern in Holzregalen wie ein Archiv der Ornamente vergangener Jahrhunderte.

Soprarizzo: Der Stoff mit Tiefe
Bevilacquas Spezialität ist der Soprarizzo-Samt, die aufwendigste Form dieses Textils. Sie kombiniert geschnittenen Samt, der samtig glänzt, mit ungeschnittenem, der rauer wirkt. Das Ergebnis ist ein dreidimensionales Muster, das sich spürbar über den Grundstoff erhebt – fast wie ein Relief auf Stoff.

Farben wie aus der Lagune
Die Farbpalette ist so opulent wie die Stadt selbst: Rubinrot, Indigoblau, Goldgelb, Moosgrün, Elfenbein. Bevilacqua verwendet teils natürliche Pigmente, teils exakt nach Wunsch gemischte Töne für internationale Kunden. Ob für Vorhänge im Weißen Haus, den Nobelpreis-Saal in Stockholm oder Handtaschen von Roberta di Camerino, die sogar Grace Kelly trug – der Stoff aus Venedig kleidet Geschichte ein.

Ein Vermächtnis für die Zukunft
„Unser größter Auftrag ist, das Wissen und die Leidenschaft weiterzugeben“, sagt Rodolfo Bevilacqua. Denn was hier geschaffen wird, ist weit mehr als Textil: Es ist kulturelles Gedächtnis, gewebt in Linien und Reliefs, Ton und Farbe. In einer Welt, in der das Echte immer seltener wird, steht Bevilacqua wie ein Bollwerk gegen das Vergessen handwerklicher Exzellenz.

Lohnt sich ein Besuch?
Ja – unbedingt. Der Besuch in der Tessitura ist wie ein Eintritt in eine andere Welt. Führungen sind nach Vereinbarung möglich (vorherige Anmeldung notwendig) und bieten einen faszinierenden Einblick in die Prozesse, Musterarchive und Menschen hinter den Stoffen. Wer das Glück hat, ein Stück Samt von Bevilacqua zu erwerben – ob als Meterware, Kissen oder Accessoire –, trägt ein Stück Venedig mit sich: poetisch, taktil und zeitlos.

Adresse & Besuch
Tessitura Luigi Bevilacqua
Santa Croce 1320
30135 Venezia – Riva di Biasio
Nähe Vaporetto-Haltestelle „Riva di Biasio“
Besuch:
Nur nach Voranmeldung möglich über die Website.
Website & Shop:
www.luigi-bevilacqua.com
Online-Shop mit Samtstoffen, Accessoires und Kollektionen
Instagram:
@bevilacquavenezia
Auf den Punkt gebracht:
Bevilacqua ist nicht nur ein Unternehmen, sondern ein lebendiges Museum venezianischer Kulturgeschichte. Wer in Venedig das Authentische sucht – jenseits von Souvenirs und Klischees –, sollte diesen Ort nicht verpassen. Hier wird sichtbar (und fühlbar), wie sehr wahre Kunst durch Hand und Herz entsteht.