Die Fondation Valmont präsentiert mit „TELEMACHUS – The Quest for Self“ das zweite Kapitel ihrer von Homers Odyssee inspirierten Trilogie. Die Ausstellung ist noch bis zum 22. November 2025 im Palazzo Bonvicini in Venedig zu sehen.
Im Fokus steht die Figur des Telemachus – Sohn, Suchender, Spiegel des Vaters. Die Schau geht zentralen Fragen nach: Woher komme ich? Was prägt mich? Und wie entsteht ein eigenes Ich im Schatten familiärer Rollenbilder? Die Vater-Sohn-Beziehung wird dabei zur Projektionsfläche für Identität, Abgrenzung und Selbstfindung.

Vier Künstler, vier Perspektiven auf Identität
Das Herzstück der Ausstellung bilden Werke von vier zeitgenössischen Künstlern: Jakub Flejšar, Pavel Roučka, Maxence Guillon und Didier Guillon. Jeder Künstler gestaltet einen eigenen Raum im Palazzo Bonvicini, wodurch ein generationenübergreifender Dialog entsteht, der die Beziehung zwischen Vater und Sohn thematisiert.
Jakub Flejšar präsentiert eine monumentale rote Stahlskulptur, die zwei Räume durchquert und als Selbstporträt des Künstlers dient. Ein sitzender Mann durchstößt instinktiv den Raum. Nur ein Fragment seiner Gestalt ist in Raum 1 sichtbar, der Rest bleibt vorerst verborgen. In der Mitte hockt eine monumentale menschliche Figur, der Blick auf den Mann gerichtet – als würde sie das Gewicht eines Erbes betrachten, das zu schwer ist, um getragen zu werden. Die Skulptur im zweiten Raum steht im Kontrast zu den gestischen Gemälden von Pavel Roučka, die dichte materielle Schichten und emotionale Tiefe aufweisen. Flejšars sitzender Mann – platziert zwischen zwei Räumen – kehrt den Gemälden seines Stiefvaters bewusst den Rücken. Die Geste ist klar: Verstehen ja, Nachfolge nein. Er steht an der Schwelle zu einer eigenen Entscheidung, bereit, sich vom vertrauten Erbe zu lösen und seinen eigenen Weg zu wählen.

In Raum 3 inszeniert Maxence Guillon mit The Virtuous Circle seine persönliche Reise als Sohn. Ein roter Teppich markiert den Weg – Symbol für die schützende, aber unsichtbare Präsenz seines Vaters Didier Guillon. Auf einmal wandelt sich die Szene: Der Teppich verblasst, eine digitale Arena entsteht. Im Zentrum steht eine Gladiatorenskulptur mit Maxences Gesicht – bereit zum Kampf. Darüber wacht die virtuelle Erscheinung des Vaters: stumm, distanziert, immer da. Das Publikum ist eingeladen, in der Mitte des Raumes Platz zu nehmen und symbolisch die Sicht des Vaters einzunehmen. Maxences Weg – wie der von Telemachus – steht exemplarisch für ein universelles menschliches Erlebnis: den eigenen Platz zu finden, im Schatten des Vaters. Erst das Bewusstsein für dieses Erbe macht die persönliche Reise überhaupt möglich.

Im vierten Raum, dem „Raum der Träume“, werden anatomische Zeichnungen von Alphonse Lami, seinem Ururgroßvaters Alphonse Lami auf japanischen Papiertotems präsentiert, die wie stille Echos einer fernen Vergangenheit wirken. Die Skulpturen schlagen eine Brücke zwischen Generationen und holen das Erbe in die Gegenwart. Über ihnen schwebt das Wort „Traum“ – in glühenden Buchstaben, übersetzt in zehn Sprachen, als leuchtendes Zeichen einer universellen Hoffnung. Sie erinnert daran, wie zentral Träume für unsere Zukunft sind. Ohne sie fehlt der Kompass – um aus der Vergangenheit zu lernen, in der Gegenwart Orientierung zu finden und den Blick mutig nach vorn zu richten. Während der Ausstellungsdauer finden hier monatlich geführte Meditationsstunden statt, die eine tiefere Verbindung zu den Werken ermöglichen.

Der fünfte Raum, als „letztes Lied“ der Trilogie bezeichnet, leitet das Thema der Ausstellung 2026 ein. Hier wird eine Installation von hängenden Textilampeln gezeigt, die in Bhutan handgefertigt wurden und verschiedene Formen weiblicher Freiheit darstellen. Die Figur der Penelope dient als symbolische Achse des nächsten Kapitels, in dem das Weben als politische Geste und Form des Widerstands zurückkehrt.
Palazzo Bonvicini: Kunst und Geschichte vereint
Der Palazzo Bonvicini, ein Renaissance-Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, beherbergt die Fondation Valmont. Die Résidence Bonvicini, von Didier Guillon entworfen, kombiniert Kunst und Gastfreundschaft. Die drei Suiten – Murano, Burano und Torcello – sind mit Kunstwerken und handgefertigten venezianischen Details ausgestattet, darunter Griffe aus Muranoglas von Leonardo Cimolin und ein Glasmosaik des historischen Ofens Orsoni Venezia.
Auf den Punkt gebracht
„Telemachus – The Quest for Self“ ist kein klassischer Ausstellungsbesuch. Es ist eine Einladung zur Selbstbefragung – ein Parcours durch Herkunft, Erinnerung und künstlerisches Erbe. Die Schau öffnet Räume für Reflexion, stille Konfrontation und die Möglichkeit, Kunst nicht nur zu betrachten, sondern als Ort persönlicher Transformation zu erleben.
Praktische Informationen
- Ausstellungszeitraum: bis 22. November 2025
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- Ort: Palazzo Bonvicini, Santa Croce 2161/A
- Öffnungszeiten: Dienstag – Samstag, 10 – 13 Uhr / 14 – 18 Uhr – Eintritt frei